Aktion gegen Fremdenhass

Studierende des Hessenkollegs und Ehemalige der Schule beteiligen sich am 24. März an Aktionen für eine bunte und tolerante Gesellschaft, gegen Demagogie und dumpfen Fremdenhass

Die in der Wetzlarer Stadtverordnetenversammlung mit 5 Abgeordneten vertretene rechtsextreme NPD hatte für einen als „Wahlkampfauftakt“ betitelten Treff der militanten rechten Szene in die Wetzlarer Stadthalle eingeladen. Die Stadt Wetzlar verweigerte dafür bis zum Schluss die Genehmigung, worauf ein juristisches Tauziehen über mehrere Gerichtsinstanzen einsetzte. Statt als Veranstaltung zur hessischen Landtagswahl werde das Treffen als bundesweites Rechtsrock-Konzert durchgeführt, argumentierte die Stadt. Und dafür bedürfe es einer entsprechenden Haftpflichtversicherung und eines Sanitätskonzeptes – was nicht gegeben sei. Neben anderen Formationen sollte die 1995 gegründete Dortmunder Nazi-Band „Oidoxie“ in der Stadthalle auftreten, die zum Rassenkrieg aufstachelt und deren Titel u.a. „Weiß und Rein“, „Wir kämpfen für Deutschland“ und „Heil, heil!“ lauten. Öffentliche Auftritte von Neonazis werden in Wetzlar traditionell von einem breiten Bündnis aus Parteien, Gewerkschaften, Kirchen, Kultureinrichtungen und Einzelpersonen zurückgewiesen. Um die Mittagszeit setzte sich ein Demonstrationszug von 2000 Menschen vom Bahnhof aus Richtung Altstadt in Bewegung, den der mittelhessische DGB angemeldet hatte. Der vorausfahrende Lautsprecher-Wagen, ein roter Skoda, wurde von Kolleg-Schulsprecher Benny Herzog gesteuert. Im Bereich der alten Lahnbrücke reihten sich Ex-Kolleglehrer Wolfgang Gerster (JG 1933) und seine Frau Lore in die Demo ein. Parolen wie „Hoch die internationale Solidarität!“ und „Es gibt kein Recht auf Nazi-Propaganda“ hallten in den Altstadt-Gassen wider. In der Adenauer-Anlage – vis-à-vis dem von Polizeihundertschaften aus mehreren Bundesländern abgeschirmten Stadthallengelände – fand ein buntes „Fest der Demokratie“ mit Musik, Redebeiträgen, Informationsständen, Speisen und Getränken statt. Ex-Kollegleiterin Christel Streubel-Piepkorn, die schon am Vortag zusammen mit syrischen Flüchtlingen und einer „KreAktiv gegen Rechts“-Gruppe aus Kindern und Jugendlichen der Stadthalle ein buntes und einladendes Gesicht verpasst hatte, unterhielt sich dort mit der 84-jährigen Gisela Jäckel, einer Nachbarin aus der Brühlsbachstraße, deren Großeltern, Tanten und Mutter Rosa Best als „(Halb-)Juden“ von den Nazis deportiert und in Auschwitz ermordet wurden und mit Irmi Richter vom Verein „Wetzlar erinnert e.V.“, der die historische Stadtführung „Weg der Erinnerung“ anbietet. Der frühere Schulsprecher Olav Weisel tauschte sich mit seinem „Amtsnachfolger“ Benny Herzog über alte Zeiten aus, als am Kolleg das bestandene ABITUR noch mit pfiffigen und aufwändigen „Abi-Gags“ begangen wurde. Ex-Kollegiat Dominic Harapat verband antifaschistisches Engagement mit der Werbung für die im Mai anstehende Direktwahl des Landrats für den Lahn-Dillkreis. Er tritt als Kandidat der Partei DIE PARTEI an. In einer vom ver.di-Bühnenwagen aus gehaltenen Rede zitierte er Selbstäußerungen ‚glühender Nationalisten‘ („Um überzeugter Nationalist zu sein, muss man kein Buch gelesen haben“), denen nicht zu widersprechen sei. Auf einem Infoblatt verteilte er den Text des ERMÄCHTIGUNGSGESETZES, das auf den Tag genau (am 24. März 1933) vor 85 Jahren von einer Zweidrittelmehrheit der Abgeordneten des letzten, 14 Tage zuvor gewählten Reichstages beschlossen wurde und den Verbrechen der Nazi-Diktatur den Weg ebnete. Der amtierende Landrat Wolfgang Schuster (SPD) betonte, dass ein entschiedenes Auftreten gegen „braunen Ungeist“ die entscheidende Lehre aus der jüngeren Geschichte sei: „Wetzlar leistet heute Widerstand. Wir sind die Stadt Goethes und August Bebels – und nicht die Stadt der Urenkel von Adolf Hitler“. Wetzlars Oberbürgermeister Wagner kritisierte, dass mit der NPD eine vom Bundesverfassungsgericht als „verfassungsfeindlich“ eingestufte Partei alle aus dem sog. ‚Parteienprivileg‘ (Art. 21 GG) resultierenden Rechte genieße und „wir Kommunalpolitiker dann die Folgen dieser verworrenen Rechtslage vor Ort auszutragen haben“. Was am Rande noch auffiel: Ein Kollegiat aus der E-Phase (LG 50) hatte den Hinweisen der Polizei, wonach Autos aus dem Sicherheitsbereich um die Stadthalle zu entfernen seien, keine Beachtung geschenkt. Sein Auto wurde abgeschleppt, es möge es sich in Hermannstein abholen, lautete der behördliche Bescheid. Und: In einem Wetzlarer Altenheim hatte die Hausverwaltung wegen der besonderen Gefährdungslage für dunkelhäutige und eindeutig ausländisch aussehende Pflegekräfte Übernachtungsmöglichkeiten an ihrem Arbeitsplatz organisiert.