Heimische Autorin liest am Kolleg 2017

Natascha Hoefer liest aus ihrem neuen Roman ‚WOANDERS – am Ende der Welt‘ am 16.11. 2017 vor Studierenden des Wetzlarer Hessenkollegs (LG 50/1)

Die bretonische Halbinsel Crozon ist Handlungsort des soeben im ‚Spurbuch-Verlag‘ erschienenen  Romans der Wetzlarer Buchautorin Natascha Hoefer. Der Titel „WOANDERS – am Ende der Welt“ ist an den geografischen Namen angelehnt, den diese Gegend im äußersten Westen Kontinentaleuropas trägt: das „Finistère“. Die promovierte Kulturwissenschaftlerin (u.a. „Schwermut und Schönheit – Als die Menschen Trauer trugen“) hat eine bretonische Mutter und kennt sich in der Bretagne seit Kindheitstagen sehr gut aus. Im Rahmen der Veranstaltungsreihe „Heimische Autorinnen und Autoren stellen ihre Literatur am Hessenkolleg vor“ fand das 500 Seiten starke Buch jetzt Eingang in den Deutschunterricht der Erwachsenenschule, an der Hoefer vor 4 Jahren im Rahmen ihres Referendariats unterrichtete. Der Roman schildert zwei Liebesbeziehungen, deren Protagonisten unterschiedlichen Generationen angehören. Ein junger Gießener namens Florian ist von seiner Partnerin, der Stewardess Katharina, wegen eines anderen verlassen worden. „Hau einfach ab. Gegen die Frauen sind wir völlig wehrlos. Unsere einzigen Waffen sind Schweigen und Abwesenheit. Wenn du drei Wochen weg bist, arbeitet ihr schlechtes Gewissen für dich“, rät ihm sein Kumpel Boris und drückt ihm die Schlüssel seines Porsche Cayenne und des bretonischen Ferienhäuschens in die Hand. Florians Großmutter Marlene lebt in einem Seniorenheim und erhält regelmäßig Besuch von ihrem Enkel. „Wegfahren ist die falsche Reaktion, kämpfe um Katharina!“, lautet ihr Rat. Sie selbst war während des 2. Weltkrieges als Funkhelferin in der Bretagne stationiert und lernt während eines Unwetters einen jungen Franzosen kennen, der sie aus dem havarierten Kübelwagen befreit und sie auf einem Motorrad mitnimmt. Es ist ein Kriegsgefangener, der seine deutsche Begleiterin in eine Kapelle mitnimmt, die sich als konspirativer Treffpunkt der französischen Widerstandsbewegung ‚Résistance‘ entpuppt. Über diese Zeit hat sie in „Offenbacher Schrift“ – einer Sütterlin-Variante – ein Tagebuch verfasst. Marlenes Erlebnisse im deutsch-besetzten Frankreich werden als Rückblende in Kursivschrift erzählt. Am „Ende der Welt“ wartet mit Efeu überwucherter „deutscher Wehrmachtsbeton“ und eine Landschaft voll herber Schönheit auf Florian. Hier, am Fuß des Berges Ménez-Hom, hatten schon die alten Kelten ihrem Sonnengott Belen gehuldigt. Seine Nachbarin, die den jungen Deutschen mit gemischten Gefühlen registriert, ist die 30-jährige Bretonin Marie, die gerade eine Beziehung zu einem verheirateten Mann abgebrochen hat. „Wie entstehen Charaktere im Kopf? Wieviel eigenes Erleben steckt in den Erzählungen?“, wollten die Hessenkollegiaten nach der Lesung wissen. „Das Schreiben von belletristischen Texten hat mit Schauspielerei zu tun“, lautete die Antwort, „wer über einen Psychopathen schreibt, muss sich in ihn hineinversetzen können“. Und: „Man muss mit den beschriebenen Gegenständen schon gut vertraut sein, natürlich kommen immer auch fiktionale Handlungselemente hinzu.“ Hoefer erteilt zur Zeit Unterricht an der Goethe- und der Theodor-Heuss-Schule. „Das ist mein Brotberuf. Vom Schreiben allein kann man in der Regel nicht leben. Ich folge da eher einem inneren Bedürfnis. Mein Buch, an dem ich zwei Jahre lang gearbeitet habe, hat eine Startauflage von 1000 Exemplaren. An jedem verkauften Buch verdiene ich einen Euro. Für den Verleger ist es ein lange gehegter Wunsch, einen Bretagne-Roman mit ins Sortiment aufzunehmen. Ansonsten drucken die schwerpunktmäßig Sachbücher zu den Themen Gesundheit und Architektur. Wer materiell einen recht guten Schnitt macht, sind Drehbuchautoren. Freie Autoren leben meist bescheiden, müssen mit vielleicht 1000 Euro pro Monat auskommen.“ Ein Lektorat ist für den „Feinschliff“ zuständig, bevor es zur Drucklegung kommt. In Hoefers Bretagne-Roman hieß der Protagonist zunächst „Torsten“, jetzt heißt er Florian. Der Grund: Eine befreundete Lektorin bemängelte, sie könne sich nicht in Torsten verlieben, sein Charakter sei nicht attraktiv genug. Daraufhin wurde Torsten zu dem faszinierenderen Florian – und da Florian anders als Torsten dachte und handelte, veränderte er den Verlauf der Geschichte. Inspirierend bei der Themensuche und Figurengestaltung sind für Natascha Hoefer Bildungsreisen und längere Urlaubsaufenthalte. „Können Sie sich auch für das E-Book erwärmen?“, wollte jemand aus dem Publikum wissen. „Nein. Mein Bruder, der auch einer meiner Berater ist, sieht das zwar anders. Aber ich mag das Buch als Gegenstand, seinen Geruch. Ich liebe Papier“, lautete die konservative Antwort. Nach einer anregenden und kurzweiligen Deutschstunde überreichte Hessenkollegiat Felix Galinger dem Gast als Dankeschön den Literaturkalender 2018 aus dem Berliner Aufbau-Verlag, mit dem die Gruppe vorher im Unterricht gearbeitet hatte. Am kommenden Donnerstag (23.11. um 19h) stellt Natascha Hoefer ihren Roman in der Neuen Stadtbibliothek im Kulturhaus (Bahnhofstraße 6) vor. Dazu wird das bretonische Nationalgetränk ‚Cidre‘ gereicht.