EU-Insiderin hält Vortrag am HkWz

Innenansichten zu Europa als Vortragsthema am Wetzlarer Hessenkolleg

„Innenansichten zu Europa – Was wird aus der Europäischen Union?“ lautete das Vortragsthema der 28-jährigen Wetzlarerin Hanna Petri, die als Mitarbeiterin der Europäischen Kommission in Brüssel für die Einhaltung von Klimaschutzzielen bei der Projektierung von Entwicklungshilfemaßnahmen seitens der EU Verantwortung trägt. Im Rahmen der Aktion „Back to school“ stellte sie vor Studierenden des Wetzlarer Hessenkollegs die Arbeitsweise der EU-Gremien vor und erinnerte an das Voranschreiten der europäischen Integration von der Montanunion 1951 bis hin zur heutigen Wirtschaftsmacht mit einem riesigen Binnenmarkt und rund einer halben Milliarde dort wohnender Menschen. Die EU-Kommission wurde dabei als „Lokomotive der europäischen Integration“ charakterisiert. Für die angehenden Abiturienten am Hessenkolleg sind die Resultate des „Bologna-Prozesses“ von besonderer Bedeutung, wozu die Vereinheitlichung von akademischen Standards und universitärer Abschlüsse („Bachelor“ und „Master“) gehört. Auch das akademische Austauschprogramm „Erasmus“ wurde erläutert. Eine ältere Lehrkraft erinnerte sich daran, dass „zu unserer Schulzeit die Teilnahme an der Weinlese in Frankreich oder eine Brieffreundschaft das Maximum an Europa-Erlebnis war“. Die Referentin hatte ihr Abiturzeugnis an der Goetheschule erworben und nach einem Freiwilligen Sozialen Jahr in Bolivien („Theaterarbeit mit Indios“) ein bilinguales Studium der Sozialwissenschaften in Stuttgart und Bordeaux absolviert. Ihr erster Arbeitgeber in Brüssel war zunächst die „Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit“ (GIZ) mit Sitz in Eschborn/Taunus. „Was haben junge Leute von Europa zu erwarten? Wie stehen sie zu Europa?“, stand als Frage im Raum. Eine aggressive Gegnerschaft, wie sie von einer wachsenden Zahl von EU-Parlamentariern artikuliert wird,  gibt es unter jungen EU-Bürgern selten. Dafür aber jede Menge Zweifel und Skepsis. „Durch Leute wie den Steuertrickser Jean Claude Juncker sehe ich mich nicht repräsentiert“, merkte Hessenkollegiat Niklas an. Ist die Union in der heutigen Form zukunftsfähig oder wird „der Laden“ in naher Zukunft auseinanderfliegen? Mehrfach wurden Korrekturen an den neoliberalen Dogmen der europäischen Wirtschafts- und Finanzpolitik eingefordert. Die offizielle EU-Politik bekennt sich zu den 17 „substainable development goals“, einer von den Vereinten Nationen formulierten Agenda für eine ökonomisch und ökologisch nachhaltige Entwicklung. Der allgemeine Zugang zu Wasser und Nahrung, Bildung und medizinischer Versorgung sowie auskömmliche Löhne werden darin als allgemeine Menschenrechte beschrieben. „Diese hehren Ziele kontrastieren doch auffällig mit den bisherigen Ergebnissen: Abschottung der ‚Festung Europa‘ gegenüber Flüchtlingen, eine fortschreitende soziale Spaltung in den europäischen Gesellschaften und fehlende berufliche Perspektiven von jungen Leuten in den Ländern Südeuropas“, wurde in der Diskussion moniert. Die aus Brüssel angereiste Referentin stellte ein Zitat des langjährigen Außenministers Hans Dietrich Genscher zur Diskussion: „Ein Scheitern Europas können wir uns nicht leisten. Wir haben keine Alternative“. Die spannende Diskussion dazu wurde kontrovers geführt. „Machen wir uns auf die Suche nach helleren Grautönen, mehr ist nicht drin“, hieß es da. „Das ist weit unterhalb des Weltfriedens, den ich mir wünsche“, kam als Antwort zurück.