Ex-Kollegiaten berichten über Uni-Erfahrungen

Ehemalige Hessenkollegiaten/ -innen berichten an ihrer früheren Schule über Studien-Erfahrungen
„Heute geh‘ ich. Komm ich wieder, singen wir ganz and‘re Lieder. Wo so viel sich hoffen lässt, ist der Abschied ja ein Fest.“ Dieses Goethe-Zitat war Leitmotiv einer Veranstaltung am Hessenkolleg, bei der Absolventen der Wetzlarer Erwachsenenschule ihre jüngeren Kommilitonen über ihre Erfahrungen im „Kosmos Universität“ berichteten. Anika Heinrich hat ihre bereits am Kolleg gepflegte Vorliebe fürs Theaterspiel beibehalten und studiert in Mainz Germanistik und Theaterwissenschaft: „Die familiäre Atmosphäre des Kollegs wird man im Massenbetrieb Universität vergeblich suchen. Man ist mit Entscheidungen auf sich gestellt. Eine Betreuung durch Dozenten findet kaum statt. Es ist hilfreich, einen festen Willen und einen langen Atem mit an die Uni zu bringen.“ Anna-Lena Merz hat vor kurzem ein Medizinstudium aufgenommen, Madlen Kolb und Yvonne Linscheid haben sich für ein Biologie-Studium entschieden. Alle drei rieten den naturwissenschaftlich interessierten Hessenkollegiaten, bei der Kurswahl möglichst das gesamte Spektrum der Naturwissenschaften zu belegen und nicht ‚schmalspurig‘ zu verfahren. Nicht wenige Erstsemester scheiterten vorzeitig, weil sie die Hürde von Mathe- oder Physik-Modulen nicht überwinden: „Ihr könnt euch schon mal anschnallen, es wird knallhart. Es macht aber auch mächtig Spaß. Egal ob Naturschutz, Pharmakologie oder Genetik – ihr guckt beim Biostudium überall rein“, gab Yvonne Linscheid als Rat mit auf den Weg. Nach den Berufsaussichten für Biologen gefragt, musste Madleen Kolb ‚Wasser zum Wein‘ geben: „Deutschland misshandelt seine Wissenschaftler. Auch für wirklich gute Leute werden nur befristete Verträge angeboten. An den Unis herrscht eine nervenaufreibende Jagd nach Drittmitteln, weil die Unis selbst chronisch unterfinanziert sind.“ Lina Kaschmieder ist Rettungsassistentin und wollte mit ihrem Einser-Abi zunächst Medizin studieren, ist aber dann im gymnasialen Lehramt mit den Fächern Biologie und Englisch gelandet. Lehramtsstudentin (D, Gesch.) Silke Will ging auf die Frage nach der Vereinbarkeit von Studium und Mutter-Rolle ein. Auch die 33-jährige Garbenheimerin Melanie Evli hat einen 5-jährigen Sohn und belegt mit der am Kolleg erworbenen Fachhochschulreife den Studiengang „Bildung und Förderung in der Kindheit“. Das ermöglicht eine Berufskarriere als Grundschullehrerin, es kommen aber auch außerschulische Tätigkeitsfelder infrage. Cigdem Alper aus Gießen hat türkische Wurzeln und entschied sich nach dem Hessenkolleg für ein Studium der Sozialwissenschaften. Sie arbeitet gerade über den britischen Staatstheoretiker Thomas Hobbes (1588-1679). Sie ist ihren früheren Lehrern dankbar dafür, „dass wir zur Lektüre komplexerer Textquellen angehalten wurden“. Sie rät den angehenden Abiturienten: „Die Übung macht’s! Lest und schreibt, wann immer sich eine Gelegenheit dazu ergibt.“ Nach möglichen Berufsfeldern für Sozialwissenschaftler befragt, sieht sie „die Qual der Wahl“ auf sich zukommen: „Ich kann mir gut eine Aufgabe im deutsch-türkischen Kulturaustausch vorstellen. Aber auch eine journalistische Tätigkeit oder die Position als Betriebssoziologin würde mich reizen.“ Sammy Ben Zakour studiert an der Frankfurter Uni im 5. Semester Jura: „Der Unterricht in den 3 Jahren am Hessenkolleg hat direkt mit den Inhalten eines Jurastudiums nichts zu tun. Vielleicht mit Ausnahme des Faches Latein. Hier kommt mir heute die klare Systematik und der präzise Sprachausdruck zugute.“ Weil Juristen inzwischen „überall gebraucht werden“, macht sich der ehemalige Hessenkollegiat über eine spätere Berufstätigkeit noch keine näheren Gedanken. Beteiligt an dieser zunächst im Plenum, dann in Kleingruppen und in Zwiegesprächen durchgeführten Studien- und Berufsberatung waren auch fünf angehende Lehrkräfte, die am Hessenkolleg gerade ein mehrwöchiges Hospitationspraktikum absolviert haben sowie mit Johanna Dietzsch eine ehemalige Lehramtspraktikantin. Schulleiterin Verena Hohoff und Schulsprecher Attila Bostanci zeigten sich beeindruckt von dem regen Erfahrungsaustausch und dankten den Gästen für ihr Kommen. Zu Beginn der von rund 100 Studierenden besuchten Informationsveranstaltung wurde in einer Schweigeminute der 150 Opfer des über den französischen Alpen abgestürzten Airbus‘ gedacht.