Poetry Slam 2014 mit „Allen Earnstyzz“

 Bericht vom poetry-slam Auftritt des Trios Stefan, Julian und Thommy („Allen Earnztyzz“) vor Studierenden der E-Phase/LG 46 am Hessenkolleg u. anschl. Workshop

 „poetry-slam“ hat im Schulkurrikulum des Kollegs bereits eine lange Tradition. Auch zum Semesterwechsel Januar/Februar 2014 erhielten die Studierenden von 3 Klassen der Einführungsphase überraschende und kurzweilige Einblicke in diese zeitgemäße Form von Poesie und Kabarett. Der in Wetzlar wohnhafte Ex-Kollegiat Stefan Dörsing (LG 41) lieferte im Sekundentakt mit seinen Sprachkünstler-Kollegen Julian  und Temye „Thomy“ Tesfu (beide waren aus Berlin angereist) einen bunten Strauß an Wortkaskaden, inhaltsleeren Lautmalereien, witzigen Pointen, Aphorismen und kreativen syntaktisch-semantischen Kapriolen. Schenkelklopfer waren dabei.  Und der Mode-hörige Zeitgeist wurde kräftig vermöbelt. Spießerschelte inbegriffen. Ein „emotionales Stretching“ wurde dem Publikum in Aussicht gestellt – mit den Gefühlslagen „Gleichgültigkeit und Hass“ als Eckpunkten. Solcherlei Emotionen bedürfen einer geeigneten sprachlich-literarischen Form: Slam! Denn: slam ist immer auch beat…immer auch Text…immer auch rap. Die 3 Wortakrobaten leisteten coram publico einen Schwur: „Wir sind die Taugenichtse und die Schummelliesen, sind in den Gen-Pool gestolpert und aufgeklatscht. Ich schwöre feierlich und ehrlich, ein Tunichtgut zu sein!“ Castingshows kommen für die wortgewaltigen Alltagshelden nicht in die Tüte: „Auf dem Siegertreppchen – ins Nichts! Wenn das die Gewinner sind, sind wir lieber die Verlierer.“ Thomy Tesfu gab sehr Persönliches preis: „Meine Eltern kommen aus Afrika – zur Zeit von Bob Marley regiert – mein Vater hat noch eine Kugel im Bein. Ich wurde in Italien auf der Flucht gezeugt, bin in Deutschland geboren und in Bayern aufgewachsen.“ Einem wissbegierigen Grenzbeamten, der das Maß an Deutschsein auszuloten versuchte, beschied der kraushaarige Brillenträger: „Wo ich herkomme, gibt es kein Woher, nur ein Wohin!“ Der lakonische Kommentar zu Flüchtlingstragödien à la Lampedusa, wo Afrikaner im Mittelmeer ‚Toter Mann’ spielen: „Wenn das Leben selbst zum Witz degradiert wird, dann ist der Tod die Pointe.“ Stefan Dörsing gab – mit sächsischem Akzent – den tumben Spießer, der sich „überfremdet“ wähnt: „Die Afrikaner fressen uns die Bananen weg! Auf, Gevatter, zurück ins Gatter! Spitz die Falaffel-Löffel, Ayran-Mann!“ Julian war als Kind ein Sensibelchen, wurde oft von den Mädchen verhauen. Trost spendete die Großmama: „Du hast so eine schöne Stimme, Julian. Du solltest ein Buch schreiben und dann daraus vorlesen. Dann wirst du ein berühmter Bestsellerautor  – wie der Thilo Sarrazin.“ Ungewöhnlich auch Julians faunistische Neugierde: „Der Ruf des 5 km entfernt balzenden Torfkormorans schlug mich in seinen Bann.“ Im besten Mannesalter plagt dann die grassierende Orientierungslosigkeit. Psychologen („die Druiden der Neuzeit“) schaffen nicht wirklich Abhilfe. Glücklich, wer da noch eine Oma hat! Der Schlager „Du bist der Grund, weil meine Mama eine Mama hat“ wird von den drei Enkeln inbrünstig gesungen. Eine der drei Omas „deckt schon mal für den verstorbenen Opa mit ein“, eine andere Oma stellt die dritte Oma bei „Körperwelten“ aus.

Nach spritzig-geistreichen 90 Minuten stellten sich die 3 Akteure den Schülerinnen und Schülern des Hessenkollegs als Guides im Wortuniversum und Coaches für eigene Textproduktionen zur Verfügung.