Vortrag des Exkollegiaten Edgar Göll

Bericht über den Vortrag des Zukunftsforschers Dr. Edgar Göll am 22.06.2012 in Wetzlar (pi)                                                                                                                                               Die Gelegenheit zu einem 90-minütigen „Studium generale“ bot sich Studierenden des Wetzlarer Hessenkollegs eine Woche vor Beginn der Sommerferien. Der Soziologe Dr. Edgar Göll, Mitarbeiter am Berliner Institut für Zukunftsforschung, hielt an seiner früheren Schule einen fesselnden Vortrag zum Thema „Nachhaltige Entwicklung – Notwendigkeiten, Realitäten, Perspektiven“. Der aus Obergleen stammende Göll hatte Werkzeugmacher bei der Firma Leitz gelernt, holte 1979 am Hessenkolleg sein Abitur nach und studierte anschließend in Bielefeld und Madison/Wisconsin Sozialwissenschaften. Der heute global wie regional so zentrale Begriff „Nachhaltigkeit“ hat eine ökologische, eine ökonomische und eine soziale Dimension. Er wurde erstmals 1713 von dem Forstwirt Hans Carl von Carlowitz verwendet: Man kann bzw. soll dem System Holzwald nur so viel entnehmen, wie im gleichen Zeitraum wieder nachwächst. Weltweit durchgesetzt hat sich indes mit dem „american way of life“ der Raubbau an den natürlichen Lebensgrundlagen der Menschheit, vor allem was Wasser, Nahrung und Energie angeht. Der „Global overshoot day“ liegt derzeit Ende September, d.h. hier sind bereits anteilig alle Ressourcen verbraucht, die bei einer nachhaltigen Wirtschaftsweise für ein ganzes Jahr reichen müssten. Der Referent erinnerte daran, dass „Maßhalten“ in früheren Kulturen eine allgemein akzeptierte Norm gewesen sei, was man etwa als Motiv in verschiedenen Märchen noch finde. Am Beispiel bekannter Auto-Werbe-Spots („Einzelner Fahrer rast mit Neuwagen durch menschenleere Landschaften“) illustrierte der Soziologe anschaulich die suggestiven Botschaften der Konsum- und Medienwelt. Der Kollaps gewohnter Lebensweisen sei unausweichlich, wenn nicht bald ein radikaler Systemwechsel erfolge. Mit der Zahl der pro Jahr in den USA verbrauchten Softdrink-Dosen (2004 waren es 32 Milliarden, was einer Aluminiummenge von 435 Tausend Tonnen entspricht) begründete der Referent seinen Appell für ein reflektiertes Konsumverhalten: „Hey, überleg mal, was du gerade machst!“ Die Kluft zwischen objektivem Handlungsdruck und den zaghaften Versuchen, die Weichen in Richtung einer lebenswerten Zukunft umzustellen, hält Göll für „riesig“. Das ganze koste zu viel Geld und Zeit, es gehe mit einer Überregulierung einher – und anfangen sollten erst einmal ‚die anderen’, so lauteten die Klagelieder der etablierten Politik. Und das Privatfernsehen assistiere mit der allgegenwärtigen Botschaft „Kauf dies – und alles ist easy!“. Göll empfahl, hier von klugen Leuten wie Albert Einstein zu lernen: „Wir können die Probleme nicht mit den Denkmustern lösen, die zu ihnen geführt haben.“ In der anschließenden Diskussion ging es um Bio-Sprit („unsere Mobilität oder deren Nahrung“), um ökologische Image-Kampagnen („green-washing“), die überbordende Informationsflut zu Ökothemen und mögliche Stellschrauben für eine realistische ökologisch- soziale Wende.