Nigerianische Friedensaktivisten besuchen Kolleg

Bericht über die Vorstellung einer Christlich-Muslimischen Friedensinitiative aus Nigeria am 10. Mai im Historisch-politischen Unterricht am HKWz

„Boko Haram lieben lernen“ lautete der irritierende Titel eines Vortrages von zwei nigerianischen Friedensaktivisten, die am 10. Mai 2016 zu Gast im HpB-Unterricht des LG 47/Gruppe 1 waren.  ‚Boko Haram‘ ist der Name einer im Nordosten Nigerias aktiven islamistischen Terrorgruppe, der sich mit „Westliche Bildung verboten“ oder auch „Die moderne Erziehung ist Sünde“  übersetzen lässt. Die beiden Referenten befinden sich auf einer Deutschlandreise, deren Höhepunkt am 20. Mai die Entgegennahme des Friedenspreises der Mennonitischen Kirche in Rottenburg/Neckar sein wird. Als Begleitpersonen waren Ernst von der Recke (Laurentiuskonvent Laufdorf, AK Frieden im Kirchenkreis Braunfels) und Wolfgang Krauß (Übersetzer, „Church and Peace“ Heidelberg) mit dabei. Mit einem im Mehrzweckraum gezeigten Film wurde zunächst allgemein auf die Konflikte in Nigeria hingewiesen, die nur bei sehr oberflächlicher Betrachtung als Auseinandersetzung zwischen zwei Religionsgemeinschaften gedeutet werden können. Vor an diesem Tag besonders interessierten Hessenkollegiaten erläuterten die Gäste aus Nigeria politisch-historische Hintergründe und Lösungsstrategien für die bewaffneten Konflikte in ihrem Land. Pastor Ephraim Kadala (55) ist Friedenskoordinator der in pietistischer Tradition stehenden „Kirche der Geschwister“, einem Ableger der in den US verbreiteten Brethren-Church. Sein muslimischer Begleiter Hussaini Shuaibu (51) ist Fachhochschullehrer. Beide tragen an ihren Gewändern gut sichtbar einen Button mit der Aufschrift „Do something for peace!“. In einem multiethnischen und multikonfessionellen Staatsgebilde wie Nigeria den Friedensgedanken zu propagieren und Eintracht in der Ökumene herzustellen, ist das Hauptanliegen des von ihnen angeführten CAMPI-Projektes („Christlich-Muslimische Friedensinitiative“). Für den Muslim Shuaibu zählen Jesus Christus und die biblischen Texte zum eigenen Glaubensfundus. Darin eingeschlossen ist auch das neutestamentarische Gebot der Feindesliebe. Die Boko Haram-Organisation hat für ihn mit der Philosophie und den Geboten des Islam nichts zu tun: „Die Islamisten sind machtgierig und kämpfen völlig skrupellos für ein Groß-Kalifat, wo das gesamte Leben der Scharia unterworfen sein soll. Das ist als Instrument ihrer Herrschaftssicherung gedacht und soll ‚Nicht-Gläubige‘ in Angst und Schrecken versetzen. Der Westen hat ihnen dabei durch die Zerstörung staatlicher Strukturen in Libyen und dem Irak in die Hände gearbeitet.“ Von den in 2014 von Boko Haram-Terroristen entführten 276 Schulmädchen kennt Pastor Kadala einige persönlich. Deren Familien zählen mehrheitlich zu seiner Friedenskirche. Von den rund 1 Mio. Kirchenmitgliedern wurde mehr als die Hälfte aus ihren Siedlungen vertrieben, etwa 10.000 wurden umgebracht und rund 2000 Kirchen sind zerstört worden. Mehrheitlich sind die Opfer von Boko Haram jedoch Muslime, die sich dem Diktat der Fanatiker nicht beugen wollen, darunter auch drei ranghohe muslimische Geistliche. Inzwischen gibt es auch vielerorts gewöhnliche Kriminelle als Trittbrettfahrer, die bei einem Bankraub das Personal mit dem Ruf „Allahu akbar!“ in Angst und Schrecken versetzen. Militärisch seien die Boko Haram-Terroristen inzwischen in der Defensive, aber zu einer langfristig angelegten und intelligenten Befriedungsstrategie gehöre es, den vielen arbeitslosen jungen Nigerianern eine Perspektive zu bieten und die allgegenwärtige Korruption zu überwinden, betonten die beiden Friedensaktivisten. Ihren eigenen Beitrag leisten sie u.a. mit der Versorgung der vielen Binnenflüchtlinge. Weil der Glaube an Engel in beiden Religionen populär ist, erzielt man mit einem „Schutzengel-Rollenspiel“ bemerkenswerte Erfolge bei der Vertrauensbildung und der Herstellung von Verantwortungsbewusstsein. Die Idee: jeweils 20 Muslime und 20 Christen bilden – anonymisiert – Tandems, die aus einem „Engel“ und einem „Sterblichen“ bestehen. Nach Wochen oder Monaten wird das Inkognito gelüftet und in der Regel sind stabile Patenschaften daraus erwachsen und etwaige Vorurteile beseitigt worden. Die beiden Afrikaner appellierten an ihre deutschen Zuhörer, ihren Einfluss dahingehend geltend zu machen, dass aus Europa nicht ständig Waffenlieferungen in Konfliktgebiete erfolgen und unsere Firmen und Regierungen auf Militärinterventionen – wie aktuell in Mali – verzichten: „Die Beispiele Afghanistan, Irak und Libyen zeigen ganz klar, dass das unsere Probleme nur verschärft.“ Die Studierenden, ihr HpB-Lehrer Klaus Petri und das Ehepaar Arno und Birgit Willershäuser vom Förderkreis des Kollegs bedankten sich mit Applaus bei den beiden Friedensbotschaftern und wünschten deren Engagement viel Erfolg. Zum Abschied – die Gäste aus Nigeria waren nachmittags zu einem Treffen mit syrischen Flüchtlingen im Laufdorfer Laurentiuskonvent verabredet – stellte man sich gemeinsam zum Gruppenfoto vor dem Kollegeingang auf.