Macbeth im „Harlekin“ [DS Lg46]

Bericht über die „Macbeth“-Theateraufführung von Studierenden des Hessenkollegs am 16. Juli im Harlekin
„Wenn Macht ins Spiel kommt, dann ist der Tod dein fester Freund!“. So kommentierte Hessenkollegiat Hakan Boztepe (LG 46) auf der Bühne des ‚Harlekin‘ das Treiben in englischen Aristokratenkreisen vor über 400 Jahren, als Shakespeare aus diesem Stoff sein schauriges Drama „Macbeth“ formte (Erstaufführung 1606 in London). Macbeth und Banquo haben sich als tapfere Feldherren ihres Königs Duncan bei der Niederwerfung aufständischer Vasallen erwiesen. Als Auszeichnung wird Macbeth dafür vom König zum Than von Cawdor ernannt. Ehe er davon weiß, begegnen ihm und seinem Gefolgsmann Banquo auf der Heide drei Hexen, die einen magischen Kreis um die beiden Ritter ziehen und ihnen eine mit Macht und höchstem Ruhm angefüllte Zukunft prophezeien. Die mit 35 Minuten recht kompakt geratene Inszenierung setzte sich – gemessen an der Shakespeare‘schen Vorlage – über Details der Handlung hinweg (Macbeth hat die Begegnung mit den Hexen hier ohne seinen Begleiter, die Zahl der Hexen ist doppelt so groß). Als Banquos Blut Tisch, Stühle und Kleider der gierig-machtbesessenen „feinen Gesellschaft“ besudelt hatte, war offensichtlich, dass „Treue und Redlichkeit“ auf dem „mit Leichen gepflasterten Weg“ auf der Strecke geblieben waren. Wer gegen wen aus welchen Gründen „das Schwert“ (oder „den Dolch“?) erhoben hatte, blieb den Zuschauern verborgen. Aber so viel wurde deutlich: die Ranghöchsten und Mächtigsten in dieser Orgie aus Blutrausch, Geltungssucht und triumphaler Leidenschaft schienen den Götzendienst am allgegenwärtigen Wahnsinn mit besonderer Inbrunst zu zelebrieren. Als „einigermaßen bei Trost“ wirkten einzig eine Kammerzofe (Amelie Pausch) und der zu Saz-Klängen kommentierende Hof-Chronist (Hakan Boztepe). Ulrike Holler, Lehrerin für Darstellendes Spiel am Kolleg, hatte in ihren einleitenden Worten Einblicke in „Szenen einer vom Wahnsinn gezeichneten Ehe“ in Aussicht gestellt. Lady Macbeth, Inkarnation des „bösen Weibes“, sieht ihre Chance, an der Seite ihres Mannes zum Thron zu gelangen. Der Gatte ist zwar nicht ohne Ehrgeiz, doch noch allzu „voll von Milch und Menschenliebe“. Deshalb treibt sie ihn zum Äußersten an, mutiert zu einer Art Domina, die weibliche Verführungskunst (tänzerisch hervorragend gespielt durch Noemie Jerzak, Laura Henschel, Vera de Boer, Daniela Rosin und Jelena Pantic) gnadenlos in den Dienst ihrer hemmungslosen Grausamkeit stellt. Die vermeintlich fürsorgliche Ankündigung „Jetzt kümmern wir uns um Banquo!“ heißt im Klartext: „Die Treibjagd ist eröffnet!“. Während „er“ noch über die ruchlose Tat erschrickt („Sein Blut an meinen Händen? Wie kann das sein? Das habe ich nicht gewollt!“), ist Lady Macbeth das Blutsaufen zur zweiten Natur geworden: Die Inszenierungsidee dazu sind zwei – von Vera de Boer ausladend bewegte – armlange blutrote Handschuhe. Verglichen mit einer „klassischen“ Macbeth-Aufführung zeichnete sich diese – vor reichlich erschienenem und zufriedenem Kolleg-Publikum gegebene – Inszenierung durch radikale Textverknappung aus. Atmosphäre und die psychologische Dimension des Geschehens wurden durch die Betonung tänzerischer Elemente und die starke Stilisierung der Hauptfiguren einprägsam aufgeschlüsselt. Der vom Macbeth-Clan gemeuchelte Duncan, König von Schottland, und seine beiden Söhne Malcolm und Donalbain blieben in dieser Inszenierung „unsichtbar“ – aus dem begrenzten Fundus von gerade einmal 3 männlichen Mimen (Tobias Veit, Hakan Boztepe und Henk Ansgar Fromme) konnte keine „große Bühne“ bestückt werden. Die Technik des „Figuren-Splittings“ brachte es mit sich, dass die seelischen Abgründe der Protagonisten abwechselnd in mehreren Akteuren Gestalt annahmen. Die für beide Geschlechter reichlich dick aufgetragene Theaterschminke brachte den Effekt mit sich, dass die Schauspieler ikonenhaft, wie Figuren aus einem Fantasy-Stück wirkten. Nach dem Schluss-Applaus verteilte Ulrike Holler Rosen an ihre „starken Frauen“ und „beindruckenden Männer“. Sebastian Weide (LG 47) wurde für die gelungene technische Begleitung gelobt und von Laura Henschel erfuhren die Zuschauerinnen und Zuschauer, dass ihr „Macbeth“-Projekt von Ulrike Holler „zuckersüß begleitet“ wurde.
Das schwülwarme Wetter sorgte dafür, dass kühle Getränke im Freien genossen wurden. Nach vielleicht 10 gelungenen Theaterdarbietungen (immer donnerstags vor den Sommerferien geben die DS-Kurse am Kolleg Einblicke in ihr Schaffen) beschlich alte Hasen das Gefühl, dass auch Petrus (der Wettergott) sich hier in Treue übt.